Marode Infrastruktur, langwierige Verfahren und fehlende Digitalisierung. Deutschland hat an vielen Stellen Reformbedarf und hinkt in vielen Bereichen innerhalb Europas hinterher. Die neue Regierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, Deutschland wieder zum Funktionieren zu bringen.

Wie das gelingen soll, lässt sich jedenfalls in den Grundzügen aus dem Koalitionsvertrag erkennen. Es soll eine Initiative zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung geben – und das nicht nur auf deutscher, sondern auch auf europäischer Ebene.

Hier 5 Highlights aus dem Koalitionsvertrag:

  1. Der Bau-Turbo soll nun doch gezündet werden.

Hintergrund: Bereits die alte Bundesregierung hatte die Einführung eines § 246e BauGB geplant, mit dem Abweichungen von den Vorgaben des Baugesetzbuchs ermöglicht werden sollten. Dies betraf insbesondere Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Vereinfacht gesagt: dort sollte die Schaffung von Wohnraum dadurch erleichtert und beschleunigt werden, dass auf die eigentlich erforderliche Änderung oder Aufstellung von Bebauungsplänen verzichtet werden sollte. Das Gesetzgebungsverfahren war weit fortgeschritten, hat es aber aufgrund der abgekürzten Legislatur nicht mehr durch den Bundestag geschafft.

Was ist jetzt geplant: der Turbo soll nun doch kommen – und zwar auch in einem Turbo angemessenem Tempo – nämlich innerhalb von 100 Tagen. Eine größere Baurechtsnovelle ist hingegen im Laufe der Legislatur zu erwarten.

  1. Planverfahren sollen beschleunigt werden, u.a. durch
  • verbindliche Stichtagsregelungen;
  • nur einmalige Beteiligung von Öffentlichkeit und Träger öffentlicher Belange;
  • vorzeitigen Maßnahmenbeginn;
  • und – last but not least – vollständige (!) Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsvefahren.

Insbesondere der letzte Punkt klingt verheißungsvoll und legt die Messlatte für die Regierung hoch.

  1. Das Raumordnungsrecht soll mit „überragendem öffentlichen Interesse“ ausgestattet werden

Hintergrund: Öffentliches Recht ist immer auch Abwägung zwischen unterschiedlichen öffentlichen und/oder privaten Interessen. Was wie gewichtet wird, ist immer auch von den zuständigen Akteuren abhängig und kann daher sehr unterschiedlich ausfallen. Viele Vorhabenträger haben die leidvolle Erfahrung gemacht, dass ihre Interessen gegenüber anderen (öffentlichen) Interessen zurücktreten mussten und daher gescheitert sind. Die Vorgängerregierung hatte für Erneuerbare Energien einen Ausweg gefunden. Die Gewichtung wird dadurch beeinflusst, dass bestimmten Vorhaben ein „überragendes öffentliches Interesse“ beigemessen wird. Nicht unstoppable, aber deutlich schwerer zu verhindern.

Was ist geplant: Die Idee des § 2 EEG soll nun offenbar weiter ausgedehnt werden, um damit Bauvorhaben zu ermöglichen oder zu beschleunigen. Könnte gut ausgestaltet funktionieren.

  1. Populationsschutz und leichtere Ausweisung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen

Auch im Bereich Umweltschutz sind die Weichen schon in der letzten Legislatur gestellt worden. Der Individualschutz von Arten soll durch einen Populationsschutz ersetzt werden, was z.T. in den bestehenden Vorschriften bereits angelegt ist. Bei Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist vor allem eine stärkere Vernetzung vorgesehen.

  1. Abweichung von anerkannten Regeln der Technik

Interessant ist auch ein Satz, nach dem Abweichungen von den anerkannten Regeln der Technik zukünftig nicht mehr unbedingt einen Mangel darstellen sollen. Warum macht man das?

Der sog. Gebäudetyp E, der für ein schnelleres und unkomplizierteres Bauen steht, wird u.a. dadurch verhindert, dass seine Errichtung vielfach per se „mangelhaft“ ist, weil er gegen anerkannte Regeln der Technik verstößt. Nur: ist es für einen zweckmäßigen Bau erforderlich, dass immer sämtliche anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden? Oder stellt sich Deutschland möglicherweise mit seinen hohen Qualitätsansprüchen dadurch selbst ein Bein?

Dies sind nur einige Beispiele, die keinen Anspruch auf Abgeschlossenheit beanspruchen. Beachtung hat auch ein Kunstwerk verdient, das die Koalition bereits vor ihrem Start vollbracht hat: die Abschaffung eines Gesetzes, das es gar nicht gibt, wird angekündigt. Was mit der Abschaffung des Heizungsgesetzes genau gemeint ist, wird die Koalition noch erklären müssen. Ein solches Gesetz hat sich nämlich auch nach unserer nochmaligen Recherche immer noch nicht  finden können (s. dazu auch die Ausführungen von Axel Röpke zu den Anpassungen im Energierecht, Der neue Koalitionsvertrag und (Wind)Energie – viel Medienlärm um wenig Konkretes – TYSKRET). Wenn es darum geht, dass das Gebäudeenergiegesetz vereinfacht werden soll, wäre dies hingegen zu begrüßen.